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Von der Straße in die Bahn - Zuschauer-Mobilität weiter gedacht

  • Autorenbild: Joern Kleinschmidt
    Joern Kleinschmidt
  • 17. Aug. 2022
  • 4 Min. Lesezeit


Die Bundesliga ist zurück. Und wie es aussieht, bis auf Weiteres mit vollen Stadien. Ganz besonders freue ich mich auf das Spiel zwischen Werder Bremen und dem VfB Stuttgart. Dieses Spiel hat 2016 die Gründung des FC PlayFair! ausgelöst. Nicht weil Bremen 6:2 gewonnen hat, sondern weil es an einem Montagabend stattfand. Damals haben wir uns darüber geärgert, dass die Über-Kommerzialisierung des Fußballs zu einer weiteren Zersplitterung des Spieltags und damit auch zu Montagsspielen geführt hat. Für den langen Weg mit dem Auto nach Bremen mussten wir uns einen Tag frei nehmen und über 1.200 km hin und zurück fahren. Die Montagsspiele sind mittlerweile Geschichte. Die langen Auswärtsfahrten aber nicht. Und ist es jetzt wieder Realität: Fußball-Fans auf der Autobahn. Und, nur eine Randnotiz, immer noch ohne Tempolimit.

Christian Loewen und Pamela Wicker von der Universität Bielefeld haben die Mobilität der Fans und deren Wirkung auf den CO2-Fußabdruck in einer ausführlichen wissenschaftlichen Studie[1] in der Saison 2018/2019, also in der letzten vollständigen Saison vor der Pandemie, untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse und mögliche Konsequenzen daraus möchte ich in diesem Blog mit Euch teilen.


Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Häufigkeit der Nutzung der verschiedenen Verkehrsträger. Nur 36,1 % der Zuschauer reisen im eigenen PKW an. 63% nutzen öffentliche oder keine Verkehrsmittel zur Anreise. Etwas exotisch aber tatsächlich Realität: 0,7% reisen mit dem Flugzeug an, erzeugen dabei aber 5% der CO2-Emissionen aller Zuschauer.

Werden die zurückgelegten Strecken und spezifischen CO2-Emissionen der Transportmedien bewertet, so zeigt sich der erwartete starke Anteil fossiler Energienutzer an den CO2-Emissionen der mobilen Fans. PKW, Busse und Flugzeuge erzeugen über 80% der CO2-Emissionen. Bahn und ÖPNV erzeugen weniger als 20% der Emissionen.


Bei der Analyse der Daten fallen die großen Unterschiede zwischen Allesfahrern und Heimfans auf. In den meisten Stadien sind 10% der Plätze für die Fans der Gastmannschaften reserviert. Diese werden aber nur in wenigen Fällen vollständig genutzt. Von den 13,3 Mil. Besuchern der Saison 2018/2019 waren 1,02 Mio. Besucher Gästefans[2] was einem Anteil von 7,7% entspricht. Die Gästefans legen allerdings im Schnitt 379 km zurück und nutzen zu einem höheren Anteil den PKW als Transportmittel (44,2% statt 25,8%) als Besucher von Heimspielen. Damit ist klar, dass Gästefans einen weit überproportionalen Anteil des gesamten CO2-Fußabdrucks der Fan-Mobilität erzeugen.

In der Fan-Befragung von Loewen und Wicker verursachen die sogenannten Allesfahrer („devoted travelers“) in durchschnittlich 25 Spielbesuchen (14 Heimspiele, 11 Auswärtsspiele) 1047 kg CO2, also durchschnittlich 42,0 kg CO2 / Spiel. Die Heimfans („home fans“) verursachen mit 170 kg CO2 im Laufe der Saison (14 Heimspiele, 2 Auswärtsspiele) erwartungsgemäß weitaus weniger, also „nur“ 10,9 kg CO2 / Spiel.

Mit dem hohen CO2-Ausstoß der Allesfahrer wird der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Fan je Spiel um den Faktor 2,5 auf 27,8 kg CO2 je besuchtem Spiel gesteigert.


Abbildung: Durchschnittliche CO2-Emissionen nach Fan-Typen pro besuchtem Spiel.


Damit haben die Allesfahrer einen erheblichen Anteil am gesamten CO2-Fußbadruck der 13,3 Millionen Bundesliga Besucher in Höhe von ca. 369.765 Tonnen CO2.

Der durchschnittliche Bundesbürger erzeugt im Jahr ca. 10,3 Tonnen CO2. Diese Zahl ist wichtig, um die Emissionen durch die Fan-Mobilität ins Verhältnis zu setzen. Die Allesfahrer verursachen mit 1.047 kg CO2 also annähernd 10% des CO2-Ausstoßes eines durchschnittlichen Bundesbürgers. Alle Zuschauer in den Stadien verursachen an den 34 Bundesliga-Wochenenden genauso viel CO2 wie 35.900 Bundesbürger im Laufe eines ganzen Jahres.


Die Daten der Analyse geben allerdings schon einen klaren Hinweis auf die erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung der hohen CO2-Emissionen. 80% der Emissionen werden durch PKW, Bus oder Flug verursacht. Der Anteil dieser Verkehrsträger muss also weiter reduziert werden. Welche Möglichkeiten haben wir? Schon heute ist in fast allen Tickets die Nutzung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs im Einzugsgebiet der Heim-Mannschaft inkludiert. Damit lässt sich sicher auch der höhere Nutzungsgrad des ÖPNV durch Heimfans erklären. Dieser Effekt sollte auch für die ca. 1 Millionen Auswärtsfahrer genutzt werden. Idealerweise wäre also auch die Nutzung des öffentlichen Fernverkehrs der Bahn in die Tickets zu inkludieren. Obwohl nur 7,7% der Fans Auswärtsspiele besuchen, wären bei einer Strecke von 750 km (hin und zurück) erhebliche finanzielle Aufwendungen notwendig, um die durchschnittlich 30.000 Auswärtsfans an den 34 Spieltagen zu transportieren. Verglichen mit den 38 Millionen (Stand Anfang August 2022) Nutzern des 9 € Tickets wären die ca. 1 Millionen erforderlichen Tickets aber durchaus realisierbar, um einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende auch bei den Fußball-Fans zu bewirken.

Dabei muss allerdings auch die Nutzung der Tickets in Zügen des Fernverkehrs ermöglicht werden. Auf die Bahn kämen erhebliche organisatorische aber, dank des feststehenden Bundesligakalenders, planbare Herausforderungen zu.

Eine weitere Möglichkeit zur Umlenkung auf klimafreundliche, öffentliche Verkehrsträger ist die sukzessive Reduzierung der PKW-Parkmöglichkeiten an den Bundesliga-Stadien. Durch die Verknappung von PKW-Parkplätzen würde die Nutzung öffentlicher Transportträger weiter an Attraktivität gewinnen. Dies sollte nicht durch eine Schließung der Parkmöglichkeiten von heute auf morgen erreicht werden, aber eine geplante und kommunizierte Reduzierung würde im Laufe der Zeit auf Akzeptanz stoßen. Wichtig ist dabei aber, die Zugangsmöglichkeiten für Personen mit eingeschränkter Mobilität zu erhalten.

Also raus aus dem PKW und rein in die Bahn und den ÖPNV. Das ist der Weg!

[1] Christian Loewen & Pamela Wicker (2021): Travelling to Bundesliga matches: the carbon footprint of football fans, Journal of Sport & Tourism. https://doi.org/10.1080/14775085.2021.1932562 [2] Fußballmafia.de https://www.fussballmafia.de/auswaertsfahrer/tabelle/1-bundesliga/2018-2019/

 
 
 
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